Tachykarde Rhythmusstörungen (Folge 11)

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Liebe HörerInnen und alle, die unsere Shownotes lesen:

Nachdem wir in der letzten Folge unter anderem über die Dosisanpassungen von Medikamenten bei Kindern gesprochen haben, möchten wir euch noch auf eine sehr gutes Tool auf der Seite dasfoam.org hinweisen: Der ultimative Dosiskalkulator ist unter folgendem Link abzurufen: https://dasfoam.org/2021/02/14/der-ultimative-dosiskalkulator-fuer-kindernotfaelle-und-anaesthesie/

Um die Korrektheit zu wahren, möchten wir natürlich nochmal klarstellen, dass bei unserer Dosierungshilfe mit der 100 ml Kurzinfusion und dem 1mg/ml Adrenalin rein mathematisch nicht ganz 10 μg/ml sondern 9,90099 μg/ml herauskommen. Aufgrund der Praktikabilität haben wir uns aber auf ein – auch in stressigen Situationen – einfaches Schema fokussiert.

Nun aber zurück zu der nächsten Folge:

Wir arbeiten weiter an euren Themenvorschlägen aus dem letzten Jahr und freuen uns auch jetzt immer wieder über neue Impulse zu Themen, die euch interessieren. Immer her mit euren Vorschlägen – wir freuen uns! In der aktuellen Folge haben wir wie gewohnt eine Bolusgabe mit den wichtigsten Grundlagen zusammengepackt. Passend zum Notfallbild drücken wir die Notfallspritze hinterher und beim „Blick in die Bibliothek“ schlüsseln wir den Tachykardie-Algorithmus nochmal auf und sprechen über die Kardioversion.

Viel Spaß und danke für eure Treue! Los geht’s:

Los geht’s:

Herzschlag = Stromschlag1Horacek T. Die Anatomie des Herzens und das Erregungsbildungs- und Erregungsleitungssystem. In: Horacek T, Hrsg. Der EKG-Trainer. 3. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2013. doi:10.1055/b-001-3180 Teil 2

In der letzten Folge haben wir ja die Reizleitung beschreiben. In dieser Folge soll es noch einmal genauer um die besonderen Fähigkeiten der Herzzellen gehen. Nämlich die Autorhythmie.

Normale Nerven und Muskelzellen bekommen einen Reiz geliefert und leiten ihn weiter oder ziehen sich zusammen. Doch was ist das eigentlich, ein Reiz? Ein Reiz wird im Körper in Form von Strom übertragen. Doch was strömt denn? Strom ist nichts anderes als eine Bewegung von geladenen Teilchen. Es strömend also ein Elektronen von einem Ort zum andern. Bei uns im Körper mit diese Stromfluss in fast allen Zellen über Elektrolyte geregelt. Also Kalium-Ionen, Kalzium-Ionen und Chlorid-Ionen. Und im Wechselspiel zwischen den positiv geladenen Kationen und die negativ geladenen Anionen, wie z.B. Chlorid, entsteht eine Spannung. Man nennt sie auch Potenzial. Das kennen wir zum Beispiel vom Aktionspotenzial. Und über diese Spannung, also dieses Potenzial, wird ein Reiz von Zelle zu Zelle weitergegeben.

Im Herz gibt es nun aber ganz besondere Schrittmacherzellen. Das sind fast alle Zellen des Reizleitungssystems. Die warten nicht darauf, dass von irgendwo anders ein Reiz kommt. Diese Zellen sind so aufgebaut, dass sie nach gewisser Zeit ihr eigenes Potenzial erzeugen. Und somit ein Reiz ausgelöst wird. Im Sinusknoten ist das alle 0,6-1 Sekunden der Fall. Je weiter nach unten in der Reizleitung man schaut, desto länger dauert es, bis von alleine ein Reiz ausgelöst wird.

Hinter diesem Mechanismus verbirgt sich auch direkt eine Möglichkeit, Einfluss auf die Herzfrequenz zu nehmen. Die Elektrolyte im Sinusknoten lassen sich nämlich so verändern, dass entweder ein Reiz leichter, schwerer, schneller oder langsamer ausgelöst werden kann. Und das einfach dadurch, dass mehr oder weniger Elektrolyte zur Verfügung stehen oder in die Zelle gelassen werden. Hauptverantwortlich ist hier das Kalzium und das Kalium. Deswegen werden in antiarrhythmisch wirkenden Medikamenten auch diese beiden Elektrolyte, bzw. deren Eingangstore (Kanäle) ins Visier genommen. (vgl. Notfallspritze)

Aber nicht nur die Zellen aus dem Reiz-Leitungs-System sind besonders. Auch die Zellen des Myokards haben ein Ass im Ärmel. Während andere Zellen für gewöhnlich durch ihre Zellmembran voneinander getrennt sind, kuscheln Myocardzellen deutlich mehr. Sie sind nämlich über sogenannte Gap-Junctions miteinander verbunden. Das sind spezielle Kanäle, durch die sich die Herzmuskelzellen austauschen können. Überspitzt gesagt ist das Myocard also quasi eine große Zelle. Dadurch gibt es bei einer Erregung kein Zurück mehr. Die Herzmuskelzellen können einen Reiz nicht aufhalten. Nur weitergeben. Das wird auch alles-oder-nichts-Prinzip bezeichnet.

Manchmal kann es vorkommen, dass eine Herzmuskelzelle falsch gepolt ist (ektopes Zentrum). Dann sorgen die Ionenkanäle dafür, dass ein Reiz ausgelöst wird. Auch dieser wird dann weitergeleitet. Es entsteht ein Extraschlag. Eine sogenannte Extrasystole.

Passiert so etwas gelegentlich, ist das meist nicht weiter schlimm. Nur wenn die Extrasystolen zu viele werden, kann es gefährlich werden. Denn wenn dieser Reiz im falschen Moment zuschlägt, kann es zum Kammerflimmern kommen. Dieser kritische Moment nennt sich vulnerable Phase. In dieser Phase hat die Herzmuskelzelle sich gerade kontrahiert und entspannt sich. Sie ist aber schon erregbar. Kommt nun ein irregulärer Reiz an, wird er schneller weitergeleitet als vorgesehen. Es entsteht eine kreisende Erregung.

Besonders gefährlich sind dabei mehrere aufeinanderfolgende Extrasystolen – sogenannte Salven. Auch gefährlich ist es, wenn es mehrere solcher ektopen Zentren gibt. Dann entstehen nämlich unterschiedlich aussehende QRS-Komplexe. Diese polymorphen Extrasystolen haben jede für sich das Risiko Kammerflimmern auszulösen. Diese Extrasystolen können auch für lebensgefährliche Tachykardien verantwortlich sein. Mehr dazu aber in der Notfallspritze.

Atropin als Hauptvertreter der Parasympatholytika hemmt die Wirkung von Acetylcholin an den muskarinergen Rezeptoren des Parasympathikus. Atropin wirkt sowohl leicht auf die M1 AcH Rezeptoren des Sinusknoten als auch an den M2 AcH Rezeptoren des AV-Knoten. Die Blockade der M1 AcH kann durch eine geringe Dosierung von Atropin zu einer verstärkten Bradykardie führen. Das ist die, vermutlich vielen bekannte oder zumindest schon gehörte, paradoxe Wirkung bei Atropingabe. In der Literatur wird die Gabe unter 0,5mg als potenzielle Möglichkeit zur Herzfrequenzabnahme beschrieben. Als Indikation haben wir die hier beschriebenen bradykarden Herzrhythmusstörungen und als Antidot bei Intoxikationen mit Alkylphosphaten.

Die Dosierung bei der Bradykardie ist laut aktueller Guidelines 0,5mg i.v. eskalativ bis 3mg. Damit ist die mögliche maximale Herzfrequenzsteigerung erreicht. Kontraindikationen sind unter anderem Tachykardien, akute Lungenödem, Ileus, Megakolon, Myasthenia gravis, Engwinkelglaukom 😊

Nebenwirkungen auf die Patient*innen, wenn durch den Zustand möglich, vorbereitet werden sollten sind Mundtrockenheit, Mydriasis (Lichtempfindlichkeit), Tachykardien, reduzierte Schweißsekretion.

 Der Wirkstoff kommt auch in der Natur vor, als Inhaltsstoff der Tollkirsche (Belladonna).

Quellen & Literatur[+]

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