Chemische Verletzungen (Folge 15)

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Fluorwasserstoff ist ein stechend riechendes Gas. Es ist eine starke Säure und hygroskopisch. Als wässrige Lösung wird Fluorwasserstroff als Flusssäure bezeichnet. Flusssäure wird häufig eingesetzt zur Oberflächenbehandlung von Metallen, Gläsern. Aber auch in Reinigungsmitteln kann sie vorhanden sein, oder auch in der Zahntechnik um hier die Zahnkeramik anzuätzen. Als Fluorkohlenwasserstoff kennen es viele bestimmt noch durch die Abkürzung FCKW. Gerade in Bezug auf Kühlgeräte kennen wir die Bezeichnung FCKW-frei.1

Dadurch, dass es gasförmig und flüssig vorkommt, haben wir verschiedene Gefahren der Aufnahme und Wirkung. Fluorwasserstoff und Flusssäure wirken lokal stark ätzend. Die Aufnahme erfolgt über den Atemtrakt mit Verätzungen beginnend im Mund-Rachenraum bis hin zu den tiefen Atemwegen. Weiter ist es möglich, Flusssäure über die Haut und Schleimhaut aufzunehmen. Die Flüssigkeit kann anfangs auch unbemerkt resorbiert werden und später zu tiefliegenden Gewebsnekrosen führen. Die Problematik bei Flusssäure ist, dass die Säure eine chemische Bindung mit den körpereigenen Calciumionen eingeht und diese somit nicht mehr zur Verfügung stehen. Da wir jedoch Calcium für den Stoffwechseln und lebenswichtige Organe benötigen, kann es hierdurch zu gefährlichen z.B. Herzrhythmusstörungen kommen. Eine Möglichkeit die Gefahr zu minimieren ist es, Calcium in Form eines Gels großzügig und repetitiv auf die betroffene Stelle aufzutragen, oder sogar unter das Gewebe zu spritzen. So geht die Flusssäure eine Bindung mit dem unterspritzten Calcium ein. In Betrieben und Industrien wird diese Maßnahme häufig schon durch Betriebsärzt*innen begonnen. Werft doch beim nächsten Mal einfach Blick in euren Toxkoffer auf dem NEF, ob ihr Calcium vorhaltet. 1 Bei Firmen müssen die Sicherheitsdatenblätter der Gefahrstoffe bereitliegen, diese solltet ihr euch immer geben lassen und mit in die Klinik nehmen. Aber auf was genau hierbei zu achten ist und ob es noch weitere relevanten Infos gibt, hat euch Philipp in seinem sehr ausführlichen Blick in die Bib hier nun Fein Dosiert aufbereitet.

In diesem Abschnitt der Shownotes möchten wir euch das sogenannte Sicherheitsdatenblatt (SDB) oder auch Safety Data Sheets (SDS) vorstellen. Diese Datensätze ermöglichen es, sicherheitsbezogene Daten über Stoffe oder Stoffgemische auf einen Blick zu bekommen. Im gewerblichen Umfeld sind diese Datenblätter durch unterschiedliche Normen und Verordnungen klar geregelt. Oft ist es im privaten Bereich so, dass diese ausführlichen Informationen dann nicht mehr vorhanden sind bzw. auch nicht vorgeschrieben sind. So begegnen uns die Sicherheitsdatenblätter eher bei Unfällen in der Industrie oder auch im Straßenverkehr1https://www.dguv.de/ifa/fachinfos/reach/sicherheitsdatenblatt/index.jsp.

Durch die klaren Vorgaben durch die Berufsgenossenschaften sind die Sicherheitsdatenblätter immer gleich aufgebaut. Falls ihr euch dafür interessiert, verlinken wir hier ein Mustersicherheitsdatenblatt der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (LINK: https://www.baua.de/DE/Themen/Arbeitsgestaltung-im-Betrieb/Gefahrstoffe/Sicherheitsdatenblatt/Muster.html)

Die Formulierungen sind auf dem Datenblatt meist kurz und knapp gehalten, sodass die wichtigsten Informationen prägnant kenntlich sind. Folgende Abschnitte sind für die Versorgung im Rettungsdienst bzw. einsatztaktische Sicherheitsaspekte besonders relevant:

ABSCHNITT 1: Bezeichnung des Stoffs bzw. des Gemischs und des Unternehmens

Dieser Abschnitt beinhaltet die exakte Bezeichnung des chemischen Stoffes und Gefahrstoffnummern. Außerdem sind in einem Kontaktfeld innerbetriebliche Notrufnummern, Erreichbarkeit der Werkfeuerwehr oder der nächstgelegenen Gift-Notrufzentrale hinterlegt.

ABSCHNITT 2: Mögliche Gefahren

Die hier angegebenen Gefahrenklassen und –kategorien beschrieben die vom Stoff ausgehenden Gefahren. Gefahrenhinweise geben Auskunft darüber, welche Gefahren bei verschiedenen Übertragungswegen auftreten können. Auch die Sicherheitshinweise für Schutzkleidung und Verhalten bei Unfällen können im Notfall erste Hilfestellungen geben, wie zu verfahren ist.

In diesem Abschnitt findet ihr auch Gefahrenpiktogramme, um visuell einen schnellen Überblick über die Auswirkungen des chemischen Stoffes zu bekommen. Hier eine kurze Übersicht der gängigen Piktogramme2GHS-Memocard “Gefahrstoffe kompakt”. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2021. Papier. Abgerufen unter https://www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Praxis/Sonderformate/GHS-Memocard.html:

Ausführliche Informationen und weitere Poster und Taschenkarten findet ihr auf der Seite der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin hier: https://www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Praxis/Sonderformate/GHS-Memocard.html

ABSCHNITT 4: Erste Hilfe Maßnahmen

Neben allgemeinen Hinweisen zum Verhalten im Notfall werden hier konkrete Maßnahmen für die erste Behandlung an der Einsatzstelle aufgezeigt. So gliedern sich die Hinweise in der Regel nach Art der Aufnahme (Einatmen, Hautkontakt, Augenkontakt, Verschlucken, …)

Auf keinen Fall darf hier der Eigenschutz gefährdet werden. Dies ist möglichst auch schon vor dem Transport in den RTW zu bedenken, da die Giftstoffkonzentration in geschlossenen Räumen wie dem Behandlungsraum schnell gefährlich hohe Ausmaße annehmen kann. Gemeinsam mit weiteren Fachdiensten wie der (Werk-)Feuerwehr und Fachberatern muss über die Dekontamination vor der Behandlung entschieden werden.

Bei manchen Gefahrstoffen kann die körperliche Reaktion verzögert zur Aufnahme auftreten. In diesem Abschnitt findet man eine Beschreibung der Symptome im zeitlichen Verlauf nach der Exposition.

ABSCHNITT 6: Maßnahmen bei unbeabsichtigter Freisetzung

Auch wenn dieser Abschnitt zunächst sehr einsatztaktisch und technisch klingt, können wir in diesem Kapitel noch Informationen über unsere Schutzausrüstung und Notfall-Verfahren zur Reinigung nachlesen.

Natürlich überlassen wir die Dekontamination den Experten der Feuerwehr, aber durch frühzeitiges Anfordern des Sicherheitsdatenblattes können wir unnötigen Zeitverzug vermeiden und Hilfestellung geben.

Exemplarisch und passend zum Hauptthema verlinke ich hier ein online verfügbares Sicherheitsdatenblatt von Flusssäure:

https://de.vwr.com/assetsvc/asset/de_DE/id/7901545/contents

Die übrigen Abschnitte sind nicht weniger informativ, sondern für die Akutsituation im Rettungsdienst von untergeordneter Bedeutung. Neben all der Informationsbeschaffung dürfen wir natürlich auch nicht die Behandlung der Patient*innen vernachlässigen.

Neben dem Sicherheitsdatenblatt könnt ihr euch auch über die Giftnotrufzentrale Informationen verschaffen. Einen Link der in Deutschland vorhandenen Telefonnummern und Kontaktdaten findet ihr hier: https://www.bvl.bund.de/DE/Arbeitsbereiche/01_Lebensmittel/03_Verbraucher/09_InfektionenIntoxikationen/02_Giftnotrufzentralen/lm_LMVergiftung_giftnotrufzentralen_node.html

Falls ihr noch mehr über das Thema Dekontamination, chemische Gefahrenquellen oder Regelungen für gefährliche Güter nachschlagen möchtet, hier eine kleine Auswahl an weiterführender Online-Literatur:

BBK – Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe

Auf der Seite des BBK werdet ihr über Zuständigkeiten bei großen Chemie-Unfällen, konkrete Gefahren und Verhaltensweisen im Einsatzfall informiert:

https://www.bbk.bund.de/DE/AufgabenundAusstattung/CBRNSchutz/Chemie/ChemGef/chemgef_node.html

DGUV – Sicherheitsdatenblatt

Das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung stellt auf ihrer Internetseite Informationen wie Datenbanken über gefährliche Stoffe und wissenschaftliche Begründungen dazu.

https://www.dguv.de/ifa/gestis/isi-informationssystem-fuer-sicherheitsdatenblaetter/sicherheitsdatenblaetter-hinweise-zur-erstellung/index.jsp

Informationsmaterial der Landesfeuerwehrschulen

Die Landesfeuerwehrschulen der Bundesländer bieten auf ihren Internetseiten umfangreiche Nachschlagewerke und Unterrichtsmaterialien rund um das Thema ABS- und CBRN Lagen. Exemplarisch haben wir hier die Seite der LFS Baden-Württemberg verlinkt

https://www.lfs-bw.de/themen/technik/abceinsatz/

Quellen & Literatur[+]

Marco Hanselka
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30 Jahre, Notfallsanitäter, Praxisanleiter, CRM-Instruktor, Lehrkraft

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